Schnell schnell, wir müssen Meldung machen.
Als eine der Kernbegründungen für die Notwendigkeit der Einführung einer digitalen Kontaktnachverfolgung geben die TH Wildau und die BTU Cottbus auf Ihren Webseiten an, innerhalb von 24 Stunden (auf Anfrage des Gesundheitsamtes) Daten liefern zu müssen.
Spoiler: Eine solche verpflichtende Frist gibt es nicht. 😮
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Zum Zeitpunkt dieses Artikels geben beide Hochschule weiterhin an:
Die TH Wildau schreibt:
“Für den Fall, dass sich ein Covid-19-Patient/eine Covid-19-Patientin in den Räumlichkeiten der TH Wildau aufgehalten hat, muss die TH Wildau in der Lage sein, auf Anfrage des zuständigen Gesundheitsamtes innerhalb von 24 Stunden eine Liste mit allen Kontaktpersonen zur Verfügung zu stellen. Um dieser Anfrage gerecht zu werden, hat sich der Krisenstab der TH Wildau für die digitale Kontakterfassung entschieden. Dies ist ein sicherer, effizienter und papierloser Weg, der Umgangsverordnung gerecht zu werden.”
Die BTU Cottbus schreibt:
“Für den Fall, dass sich ein Covid-19-infizierte Person in den Räumlichkeiten der BTU Cottbus-Senftenberg aufgehalten hat, muss die BTU in der Lage sein, auf Anfrage des zuständigen Gesundheitsamtes innerhalb von 24 Stunden eine Liste mit allen Kontaktpersonen zur Verfügung zu stellen. Um dieser Anfrage gerecht zu werden, hat sich der Krisenstab der BTU für die digitale Kontakterfassung entschieden. Dies ist ein sicherer, effizienter und papierloser Weg, der Eindämmungsverordnung gerecht zu werden.”
Das beide Hochschule quasi identische Textpassagen einsetzen, wird wohl daran liegen, dass die BTU Cottbus die digitale Kontaktnachverfolgung der TH Wildau einsetzt. Wir berichteten über die Probleme mit dieser Anwendung hier. Es liest sich für uns ganz klar so, dass der Grund für die Einführung einer solchen Anwendung, die 24 stündige Meldefrist ist.
🕵️ Belege bitte?
Also fragten wir mal nach:
- Gesundheitsamt LDS: “Eine Frist zur Vorlage der Kontaktdaten ist nicht ausdrücklich geregelt.”
- Gesundheitsamt LKSPN: “Eine Frist zur Vorlage enthält diese Regelung nicht.”
- Ministerium für Wirtschaft, Forschung und Kultur: Das MWFK hat dahingehend nichts angeordnet.
- TH Wildau: “Das sollte sicher umgehend erfolgen, aber 24 h stehen dafür nicht in der Norm,…”
- BTU Cottbus: “Die BTU hat sich an dieser generellen Frist des IfSG als Höchstfrist orientiert und diese für ihre Angaben auf der Webseite zugrunde gelegt.”
Die BTU Cottbus wollte uns vorerst keine Auskunft erteilen, so dass wir auch hier unser Recht auf Akteneinsicht einklagen mussten.
Die “echte” 24h Frist
Worauf die BTU Cottbus hier referenziert ist das Infektionsschutzgesetz. Der dort jedoch relevante Teil §9 (3) IfSG, steht unter der Voraussetzung, dass eine Erkrankung durch fachkundige Personen (z.B. ärztliches Fachpersonal) festgestellt wurde. Er gilt gerade nicht für eine Meldung von Kontaktdaten im Rahmen einer Kontaktnachverfolgung der entsprechenden Corona Verordnungen. Er gilt für durch Fachpersonal festgestellte Erkrankungen.
Wir finden es angemessen, wenn man sich an Fristen anderer Gesetze orientiert, sofern diese zumindest annähernd in den Kontext passen. Diese eigene freie Entscheidung jedoch so darzustellen, dass es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, um damit die Einführung von digitalen Hilfsmitteln zu begründen, lässt uns eher vermuten, dass hier ganz andere Interessen im Vordergrund standen.
Missbrauch von Kontaktnachverfolgungen
Die jüngere Vergangenheit zeigt, wie wichtig der Schutz personenbezogener Daten ist. Bereits zu Beginn der Pandemie wurde Zugriff durch die Polizei genommen. Auch so eine Institution wie eine Staatsanwaltschaft, hat mal Ausrutscher. Und es geht munter weiter.
Wir erwarten in der Zukunft und auch in der Aufarbeitung der Pandemie weitere solche Erkenntnisse. Da sich die größeren Medien vor allem auf die großen Anbieter und Skandale beziehen, bleiben kleine selbst erstellte Kontaktnachverfolgungen wie hier üblicherweise in der Berichterstattung unterrepräsentiert. Es erscheint uns aber nicht sehr wahrscheinlich, wenn hier kein Missbrauch stattfinden sollte. Wir verweisen in dem Zusammenhang auf unsere auch anonymen Kontaktmöglichkeiten.
Fazit
Das eine Meldung an die Gesundheitsämter möglichst schnell erfolgen sollte, empfinden wir als selbstredend. Jedoch sollten sowohl die Einführung, als auch die Begründung digitaler Hilfsmittel belegbar für Betroffene dargestellt werden.
Das Missbrauchspotenzial einmal erfasster Daten ist einfach zu groß. Besonders wenn wie hier, keinerlei Verschlüsselung auf Datensatzebene stattfindet. Technisch können also Arbeitgebende, Administrierende, Entwickelnde und auch Hackende (sofern erfolgreich) vollen Zugriff auf die Daten nehmen.