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Das "geheime" Wohnheim der Technischen Hochschule Wildau.

Die Technische Hochschule Wildau vermittelt(e) private Mietverträge eines Wohnheims in Niederlehme an Studierende und versucht dies soweit sie kann geheim zu halten.
Unsere Recherchen ergaben außerdem, dass mindestens eine angestellte Person in höchster leitender Position Miteigentümerin des Grundstücks ist, auf dem die Immobilie steht…

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💬 Mit einem Hinweis geht es los

Wir erhielten Hinweise aus dem Hochschulumfeld (siehe unsere anonymen Kontaktmöglichkeiten), dass die Hochschule Mietverträge an Studierendenwohnungen vermittelt. Wie uns aus unseren Erfahrungen mit den aktiven WLAN Störungen anderer, die diese Hochschule durchführte, bekannt ist, steckt meist etwas mehr dahinter, als man im ersten Moment glauben mag.
Also (wie immer) erst einmal recherchieren und forschen.

🏘️ Studierendenwohnheime, Situation in Brandenburg

In Brandenburg und auch anderen Bundesländern, wurde per Gesetz festgelegt, dass Studentenwerke als Anstalten öffentlichen Rechtes etabliert werden und folgende Aufgaben haben:

  • für die Studierenden Dienstleistungen auf sozialem, wirtschaftlichem, gesundheitlichem und kulturellem Gebiet zu erbringen
  • die Errichtung und Bewirtschaftung von Verpflegungseinrichtungen und von Einrichtungen für das studentische Wohnen zu übernehmen
  • Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und zur Bereitstellung einer Freizeitunfallversicherung zu erbringen
  • die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, soweit ihnen diese Aufgabe übertragen ist, die Gewährung von Beihilfen und Darlehen sowie weitere Maßnahmen der Studienförderung zu erbringen

(aus dem Brandenburgischen Hochschulgesetz zusammengefasst)

Für die Technische Hochschule Wildau fühlt sich das Studentenwerk Potsdam zuständig.

🗄️ Was sagen die Behörden?

Das Studentenwerk Potsdam gibt auf unsere Nachfrage an, dass dort nicht bekannt sei, ob die Technische Hochschule Wildau Mietverträge für ein Studierendenwohnheim vermittelt. Die offiziell bekannten Wohnungen der Wohnheime werden durch das Studentenwerk Potsdam vermittelt und sind auch auf der Webseite des Studentenwerkes eingetragen.
Das MWFK Brandenburg gibt an über dieses Wohnheim Bescheid zu wissen und, dass dieses durch die Technische Hochschule Wildau verwaltet wird:

Die von Ihnen begehrte Auskunft kann nicht erteilt werden. Bei dem Wohnheim handelt es sich um ein von der TH Wildau veraltetes [sic!] Wohnheim, welches nicht unter Beteiligung des MWFK errichtet wurde und sich nicht auf einer Landesliegenschaft befindet.

Es gibt ebenso seine Rechtsansicht zu erkennen, dass die Studentenwerke nicht alleinig und ausschließlich für studentisches Wohnen zuständig sind:

Zu Ihrer Annahme, dass für die Organisation der Wohnsituation für Studierende ausschließlich die Studentenwerke verantwortlich sind, kann ich Ihnen mitteilen, dass dies nicht der Fall ist. Zwar ist den Studentenwerken im Brandenburgischen Hochschulgesetz die Aufgabe zugewiesen, Wohnraum für Studierende an den staatlichen Hochschulen zu schaffen. Gleichwohl ist den Studentenwerken damit keine Monopolstellung bei der Errichtung von studentischem Wohnraum eingeräumt.

Der Gesetzgeber hat die Aufgabentrennung zwischen Hochschulen und Studentenwerken im BbgHG abschließend und umfassend geklärt. Durch die Übertragung der Wohnfrage auf die Studentenwerke, hat er die Hochschulen davon explizit ausnehmen wollen. Mit der Rechtseinschätzung des MWFK stimmen wir daher nicht überein, da sie diese Aufgabentrennung aufhebt. Uns ist nicht bekannt, dass diese Rechtsfrage jemals geklärt worden wäre. Es müsste ja ein Studentenwerk klagen oder eine andere Hochschule, die Nachteile zu befürchten hätte.

❓ Direkt fragen

Wir fragen also direkt bei der Technischen Hochschule Wildau nach und erleben ein Paradestück in nicht den Tatsachen entsprechenden Aussagen und Salamitaktik.

Bezug nehmend auf Ihre o.g. Anfrage teile ich Ihnen mit, dass die TH Wildau betreibt keine Wohnheime/Wohnungen betreibt.
Auch das das MWFK sprach als oberste Kontrollbehörde von verwaltet (wir markierten den oben im Zitat kenntlich gemachten Tippfehler der Behörde). Im Folgenden wird die Hochschule vor allem das Wort verwaltet verwenden. Was genau die Hochschule mit betreibt meint, bleibt unklar, die AIG Anfrage verwendet den Begriff verwaltet.

Auf der Webseite der Hochschule finden wir ein Formular, überschrieben mit Application form for student residences managed by the International Office (Hinweis: Man möge sich die Übersetzung von managed in unterschiedlichen Wörterbüchern anschauen. Spoiler: überall wird auch verwaltet gelistet.)
Dort werden Single (320€/Monat), Double (260€/Monat) und Triple (200€/Monat) rooms in der Karl-Marx-Straße 148 in Niederlehme (fußläufig zur Hochschule) angeboten (Preise Formularstand 2018). Wir haken nach, wobei das nach der zuvor aufgestellten Behauptung den Kern der Sache nicht ganz trifft und erhalten nun die Antwort:

ich lasse Ihre Anfrage gerade prüfen. Wären Sie bitte so freundlich und übersenden mir den entsprechenden Link zu unserer Webseite.

Diese Antwort lässt so einige Intepretationsmöglichkeiten zu. Zum einen stellt sich die Frage, ob unsere Anfrage nach AIG überhaupt sachgerecht bearbeitet wurde, also überhaupt intern etwas recherchiert wurde. Und zum anderen sieht es danach aus, als ob nun von uns ein Nachweis erbracht werden soll, die Unterlage liege vor.
Hier wird der Ansatz der Informationsfreiheit also umgekehrt: Weise mir nach was ich habe und dann bekommst Du es, ansonsten habe ich es nicht.
Das war so sicherlich nicht im Sinne des Gesetzgebers, trotzdem zeigen wir auf, wo sich die Unterlage auf der Webseite der Hochschule befindet

und erhalten folgende Antwort:

Das von Ihnen referenzierte Formular ist veraltet und wird schon lange nicht mehr genutzt. Wir haben dieses von der Webseite entfernt.

Die TH Wildau verfügt nicht über selbstverwaltete Wohnungen oder Wohnheime. Die von Ihnen erbetenen Unterlagen sind nicht vorhanden.

Spannend. Die von uns referenzierte Unterlage hätte uns natürlich bereits mit der ersten Anfrage übermittelt werden müssen. Nun wurde sie entfernt (aber hier in der WayBack Machine für immer gespeichert), ebenso die textuellen Hinweise auf der Webseite auf das Wohnheim Niederlehme, welches es so im Sprachgebrauch der Hochschule ja nachweislich gab.
Leider beharrte die Hochschule danach darauf, dass sie keine weiteren Unterlagen habe.

💶 Private Bereicherung? Vorteilsnahme?

Weitere Recherchen ergaben zwischenzeitlich, dass mindestens eine in höchster Leitung der Hochschule befindliche Person Miteigentümerin des Grundstücks in Niederlehme ist, auf dem das Wohnheim steht. Wir empfehlen einen Blick in das Grundbuch.
Bei einer solchen Konstellation stellt sich natürlich sofort die Frage nach privater Bereicherung oder der sogenannten Vorteilsnahme.
Müssen Studierende bestimmte (nicht öffentlich erkennbare) Voraussetzungen erfüllen? Wird intern irgendwie Druck gemacht oder Einfluss auf die Gestaltung der Mietsache genommen? Was ist mit dem Recht anderer privater Vermieter an der Hochschule beworben zu werden?
Sind Ihnen Einflussnahmen oder andere Dinge aufgefallen? Melden Sie sich!

😠 Beschweren

Wir legten Aufsichtsbeschwerde bei der Hochschule ein und baten um Stellungnahme und verwiesen darauf, dass es einen Artikel auf dieser Webseite geben würde.
Die Präsidentin der Hochschule antwortete uns zusammengefasst und von uns kommentiert wie folgt:

  • Interessenkonflikte oder Vorteilsnahme werden zurückgewiesen
    • Unsere Antwort: Das ist die zweitschwächste aller möglichen Antworten. Die schwächste wäre gewesen, sich garnicht dazu zu äußern. Die Antwort der Präsidentin lässt nicht mal im Ansatz erkennen, ob sie den Vermutungen der Vorteilsnahme nachgegangen ist. Uns ist rätselhaft wie man keinen Interessenkonflikt erkennen kann.
  • wenig Wohnraum in Wildau, es ist im Interesse der Studierenden wenn private und öffentliche Hand zusammenarbeiten
    • Unsere Antwort: Das erklärt jedoch nicht, warum dies nicht auch das Studentenwerk erledigen kann, sondern selbst von der Hochschule gemacht wird. Die Studentenwerke veröffentlichen, im Gegensatz zur Hochschule, transparente Berichte und habe klar definierte Vergabekriterien.
  • Tesla in Grünheide hat die Wohnsituation in/um Wildau erheblich verschärft
    • Unsere Antwort: Die Hochschule selbst streicht aber Fördermittel für Kooperationen ein. Man legt es sich, wie es eben passt. Belege dafür, dass Tesla mitschuldig an der Wohnsituation in Wildau ist und diese dadurch (für befristet mietende Studierende!) schlechter geworden ist, liegen uns nicht vor. Das Argument “hinkt” aber auch schon deshalb, weil doch vorgeblich das Formular “schon lange” nicht mehr verwendet wird und damit zu vermuten ist, nicht mehr vermietet wird. Das scheint wohl nicht so. Dann stellt sich aber die Frage nach ganz anderen neuen Unterlagen, die eben jetzt verwendet werden. Sind es wohl die Studierenden von Tesla selbst, die die Plätze nun belegen?
  • die Hochschule verwaltet keine Wohnheime, daher gibt es keine Einnahme- Ausgabe Unterlagen
    • Unsere Antwort: Es bleibt unklar, was die Hochschule damit meint, wenn sie kontinuierlich schreibt, sie würde kein Wohnheim verwalten. Wenn man sich die einzelnen Punkte des Antragsformulars anschaut, so sieht das sehr nach verwalten aus. Zumindest verstehen wir, dass die Hochschule vorgibt keine Zahlungsströme zu verwalten.
  • Studierenden wird das Wohnheim empfohlen
    • Unsere Antwort: Falsch. Es muss ein Antrag über die Hochschule gestellt werden. Die Hochschule entscheidet über die Vergabe, denn das Formular schreibt ganz eindeutig: Your accommodation in our student hostels cannot be reserved until the completed form has been returned to the International Office of TH Wildau.
      Eine Empfehlung wäre ein Flyer.
  • es gibt (doch) einen Mietvertrag
    • Unsere Antwort: Entgegen den kontiunierlichen Behauptungen des Kanzlers der Hochschule, es gäbe keine weiteren Unterlagen, tauchen immer wieder neue auf. Ob die (fehlende!) Begründung der Befristung des Mietvertrages einer rechtlichen Prüfung standhalten würde, haben wir nicht untersucht.
  • es gibt keinerlei Unterlagen (Anweisungen, Prozessbeschreibungen), wie das Wohnheim vermittelt wird
    • Unsere Antwort: Wir bleiben skeptisch 😉. Sollte dies jedoch stimmen, wird wohl die Maxime sein: “Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.” Wir hoffen es zumindest, da nicht überwachte Prozesse dem Missbrauch Tor und Tür öffnen können.

🏁 Fazit

Es bleibt unklar, ob die Hochschule das Wohnheim weiterhin verwendet oder nicht. Nachgewiesen ist jedoch, dass sie dies einmal hat. Die Plätze wurden nur vergeben, wenn bei der Hochschule ein Antrag dafür eingegangen ist. Die Plätze wurden folglich (durch wen auch immer) im Wohnheim freigehalten. Die Hochschule gibt an, für diesen Vorteil des “Freihaltens” keine Unterlagen zu besitzen.
Damit hat sich die Hochschule auch Vorteile gegenüber anderen Hochschulen in Brandenburg verschafft, die dies nicht so machen. Könnte es gar sein, dass Tesla nur deshalb mit der Technischen Hochschule Wildau kooperiert, weil diese angab, auch verlässlich für Wohnraum sorgen zu können? Reine Spekulation, aber nicht ausgeschlossen.
Wir finden uns bestätigt, den Aussagen der Hochschule ohne Belege nur wenig Glauben zu schenken, wie auch andere unserer Recherchen mit dieser Hochschule zeigen.


Update Historie

08.08.23: Links hinzugefügt, textuelle Anpassungen